Wir schreiben Ostern 2002. In der Öffentlichkeit wird der sich abzeichnende Mangel an Fachkräften in technischen Berufsfeldern intensiv diskutiert. Als Junglehrer an einer niedersächsischen Realschule war ich davon überzeugt, dass Interesse für technikorientierte Ausbildungsberufe und Studiengänge nur dann geweckt werden kann, wenn die Jugendlichen bereits in der Schulzeit mit Technik in Berührung kommen. Technikräume gab es an der Schule nicht, und auch keine Techniklehrer. Dafür hatten wir einen für die damalige Zeit gut ausgestatteten Computerraum.
Ich beschloss, zum kommenden Schuljahr für Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs einen Wahlpflichtkurs CAD anzubieten. Meine Kenntnisse in dem Bereich waren gleich null! Als Jugendlicher hatte ich mehrfach die Industriemesse Hannover sowie die CeBit besucht. AutoCad war mir ein Begriff. Nach einer kurzen Recherche wurde mir jedoch klar, dass diese Software für eine allgemeinbildende Schule nicht geeignet war. Ich brauchte eine Software, mit der die Schüler schnell – möglichst gleich in der ersten Unterrichtsstunde – Erfolge erzielen konnten. Aufgabe einer allgemeinbildenden Schule ist es nicht, Schüler in der Nutzung einer Softwarelösung fit zu machen. Die Software muss vielmehr Werkzeug sein, mit der für die Allgemeinbildung zentrale Kompetenzen aufgebaut werden können. Als Mathematik- und Physiklehrer fielen mir zuerst das räumliche Vorstellungsvermögen und das Verständnis von in unterschiedlichen Ansichten dargestellten Objekten ein. Um einen einjährigen Wahlpflichtkurs zu rechtfertigen, war dieses jedoch etwas wenig. Ich fand weitere Bereiche, u.a. der Aufbau künstlerischer Kompetenzen sowie die Transparentmachung von Manipulationsmöglichkeiten durch fotorealistisches Rendering, die einen entsprechenden Kurs rechtfertigen.
In einem Forum über Yacht- und Bootsdesign, in dem ich aus persönlichem Interesse stöberte, stieß ich auf eine Software mit dem Namen Rhino 2.0 und einem PlugIn mit dem Namen Flamingo 1.0. Weitere Internetrecherchen – zu der Zeit war AltaVista die meistgenutzte Suchmaschine in Deutschland, Google kannte kaum jemand – ergaben, dass diese Programme für meine Zwecke geeignet erschienen. Im Mai 2002 hatte ich meinen Schulleiter davon überzeugt, die Lab-Lizenzen von Rhino und Flamingo zu kaufen und mich einen entsprechenden Wahlpflichtkurs anbieten zu lassen. In den Sommerferien arbeitete ich mich in die Software ein und erstellte ein Curriculum.
Im Laufe der folgenden Jahre war ich an drei weiteren Schulen tätig. Immer schaffte ich die neusten Lab-Lizenz-Versionen von Rhino und Flamingo an. Jedes Jahr entwickelte ich das Curriculum weiter. Realschüler, Hauptschüler sowie Gesamtschulschüler der Klassen 8, 9 und 10 lernten in halb- bis einjährigen Kursen mit 2 bis 4 Wochenstunden Rhino und Flamingo kennen. Die Kurse waren immer überbucht. Die künstlerischen Elemente ließen auch nicht von vornherein technikaffine Jungen und Mädchen in den Kurs kommen. Es passierte genau das, was meine Intention war: Junge Menschen mit Technik zu begeistern!
Mit der Zeit wuchs meine Unzufriedenheit mit meinen im Selbststudium erworbenen Kompetenzen. 2012 entschied ich mich nach professioneller Unterstützung zu suchen, um mich und damit auch den Kurs weiterzuentwickeln. Ein mittelständisches Unternehmen erklärte sich bereit die Fortbildung zu finanzieren.
Im Herbst 2012 nahm ich Kontakt mit Ioannis Zonitsas von Visual Dream Berlin auf. Wir verabredeten eine viertätige Schulung. Ich bat drei weitere Lehrkräfte hinzu. Die Schulung war grandios. Mein Kenntnisstand explodierte.
Obgleich ich als Schulleiter einer Schule mit bald mehr als 1.000 Schülern und 100 Lehrkräften und Mitarbeitern kaum noch unterrichte, werde ich diesen Kurs sicherlich nicht aufgeben. Dafür ist er mir zu wichtig. Und er bereitet mir viel Freude!
Pläne für die Zukunft gibt es auch schon: Die Entwicklung eines Kurses für die gymnasiale Oberstufe!
Dr. Jan-Peter Braun
Schulleiter Integrierte Gesamtschule Lengede
Link: www.igs-lengede.de
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